Kommentar: Nationales Stipendiensystem – Elitenförderung als schwarz-gelbe Klientelpolitik

Veröffentlicht am 27.05.2010 in Standpunkte

Bildung ist ein Schlüsselthema in diesem Land. Nur diesen Schlüssel zur Bildung erhalten bei weitem nicht alle. In meinem letzten Beitrag anlässlich des Bildungsstreiks, habe ich bereits auf die bestehenden Defizite im Hochschulbereich und die ungleiche Verteilung von Bildungschancen verwiesen. Nun verfolgt die schwarz-gelbe Regierung diese Politik der Bildungsungleichheit in Bezug auf Hochschulbesuche aktiv weiter. Irgendwie gewöhnt man sich (leider!) fast schon an die Klientelpolitik der Bundesregierung.

Nach den Hoteliers und der Atomindustrie freuen sich nun die Studierenden aus reichem Hause. Die schwarz-gelbe Bundesregierung plant die 160.000 leistungsstärksten Studierenden Deutschlands voraussichtlich ab Oktober 2010 mit einem monatlichen Stipendium von 300 Euro fördern, das vom Einkommen der Eltern unabhängig ist.

Das heißt die Professorentochter aus reichem Hause, der bereits von Zuhause aus optimale finanzielle Ressourcen offen stehen, erhält noch ein zusätzliches Taschengeld vom Staat. Die SPD-geführten Bundesländer lehnen daher das von der Bundesregierung geplante nationale Stipendienprogramm ab. Anders als von CDU und FDP vorgesehen, sollten bei der Auslese der Stipendiaten nicht nur Leistungsdenken und eine reine Elitenzüchtung dominieren, vielmehr sollten gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten, die bisher zu wenig Unterstützung erhalten, dazu motiviert werden ein Studium aufzunehmen. Das beschlossene Stipendiensystem schließt diese Gruppe jedoch systematisch aus und kommt in erster Linie Studierenden aus akademischen und wohlhabenden Haushalten zugute.

Die eingeführten Studiengebühren und das geplante Leistungsstipendiensystem verstärken die existierende Bildungsselektion noch mehr, daher ist diese Maßnahme als das neue Klientelprogramm der Regierung zu bewetren und verschärft weiter die bestehende Ungerechtigkeit dieser Republik. Wenn man mehr junge Menschen zu einem Studium motivieren will, schafft man das nicht mit unsicheren Stipendiensystemen, denn nur das BAföG garantiert einen Rechtsanspruch auf Förderung.

Hierauf können die jungen Menschen bauen und hier muss auch der Staat mehr investieren, anstatt wahllos das Füllhorn auszuschütten. Doch mal von der fatalen Signalwirkung dieses Gesetzes abgesehen, finden sich im Entwurf auch handwerkliche Fehler. Erstens sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Stipendien von Bund, Ländern einerseits und privaten Mittelgebern andererseits finanziert werden. Schavan verplant somit weitgehend die Kohle anderer. Der Bund soll bei dieser unsicheren Finanzplanung lediglich ein Viertel des Geldes beisteuern, ein weiteres Viertel die einzelnen Bundesländer - macht nach Adam Riese nun exakt die Hälfte. Die andere Hälfte sollen Unternehmen, Stiftungen, Privatleute geben. Man kann sich schon denken, wer nun Förderung erhält und wer nicht. Banken und Industrieunternehmen fördern gerne Betriebswirte, aber wer fördert jemanden aus dem Bereich Kunstgeschichte oder Sportwissenschaft? Und welche Interessen die Firmen durch Förderung verfolgen, dürfte wohl auch jedem klar sein.

Doch nun zum zweiten massiven Denkfehler des Schavannsins: In strukturstarken Regionen mag das Fördern durch die Wirtschaft vielleicht funktionieren. So gibt es an der Universität Mannheim seit einigen Jahren ein Stipendienmodell zur Studiengebührenübernahme durch Unternehmen. Doch wie soll das in strukturschwachen Regionen gelingen? Schon mal einen armen Mann in die leeren Taschen gegriffen? Gerade im Osten löst dieses Modell nicht gerade Freude aus.

Drittens bedeutet das Gesetz einen immensen bürokratischen Aufwand, denn wer nun im einzelnen ein Stipendium bekommt, entscheiden die Hochschulen. Wer die Situation an den Hochschulen kennt, der weiß, dass dort jetzt schon eine totale Überlastung der Verwaltung besteht. Und nun sollen hierfür auch noch weitere Auswahlprozesse geführt werden? – Da freut sich doch der Otto Normalstudent auf noch weitere überarbeitete und entnervte Verwaltungsangestellte. Bürokratieabbau geht anders.
Selbst die Profiteure dieses Modells zeigen sich äußerst skeptisch. Aufgrund des neuen Stipendienmodells soll analog auch das Büchergeld für Stipendiaten der großen Begabtenförderungswerke (u.a. der FES) steigen, von bisher 80 auf 300 Euro. Viele Stipendiaten wehren sich aktiv dagegen und fordern soziale Auswahlkriterien. So sammelten die Initiatoren einer Petition bereits über 2000 Unterschriften gegen das absurde Modell der Regierung. Ihr Hauptargument lautet dabei, dass das erhöhte Büchergeld erster Linie Studierenden nützt, die bereits durch ihre Herkunft privilegiert sind, denn sonst erhielten diese ja ein Vollstipendium, dass nach BAföG Kriterien vergeben wird.

Ablehnend äußerte sich bereits auch die Bildungsgewerkschaft GEW, die das ganze als "Irrweg" oder "Extra-Taschengeld für eine kleine Elite" bezeichnet sowie die Juso-Hochschulgruppen, die das ganze Vorhaben "von vorne bis hinten als purer Schwachsinn" ansieht. Dieses Gesetz zeigt mal wieder das ausgeprägte Leistungs- und Elitedenken der schwarz-gelben Regierung und die die fehlende Sensibilität für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.
Bildungsrepublik Deutschland? Pustekuchen, denn Frau Schavan hat mal wieder das Klassenziel verfehl

Ein Kommentar von Melanie Seidenglanz veröffentlicht in ASF Aktuell Nr.2/2010.

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